Geschichte des Automobildesign Folge 2: Aus Stellmachern werden Karosseriebauer

Wer baute eigentlich Karosserien? So lange Autos nur Experimental-, Rekord- bzw. Wettbewerbsfahrzeuge oder Luxusobjekte für wenige waren, standen die Produktionszahlen in einem fast absurden Verhältnis zum Herstellungsaufwand. Handarbeit und vorindustrielle Produktionsprozesse bestimmten das Bild. Die meisten »Hersteller« lieferten sowieso nur den fahrbereiten Unterbau, um die Karosserie bzw. den Aufbau kümmerten sich alt eingesessene Fachbetriebe, Stellmacher und Kutschenbauer. Von Serienfertigung konnte bis in die 1920er Jahre keine Rede sein, deshalb waren die Entwürfe für Aufbauten in der Regel Unikate.

Louis Renault am Steuer seiner Voiturette, dem »Wägelchen« von 1899. Kein Platz für Design (Renault AG)

Entwerfen als Beruf

Den Beruf des Designers gab es im Automobilbau noch nicht, das Entwerfen und die Ausführung lagen wie zu alten Zeiten häufig in ein und derselben Hand. 1884 war zwar in London die erste School of Design gegründet worden, wo man Musterzeichner für Porzellan, Stoffe, Papier und Gebrauchsgegenstände ausbildete. Im Automobilbau gab man jedoch traditionelle Formen des Kutschbaus weiter. Formgestalter oder Designer, die sich nur mit der Karosserie als Hülle beschäftigten, kamen erst zum Zug, als das Auto über mehr bespannte Flächen verfügte. Viele später berühmt gewordene Stylisten wie Farina, Van den Plas, Mulliner oder James Young wechselten mit der zunehmenden Bedeutung des Automobils vom Kutsch- zum Karosseriebau und beschäftigten ab 1920 auch spezielle Entwerfer. Diese ließen sich häufig vom Bootsbau inspirieren (die Mode der Boattails), denn dieser war sowohl von der Strömungslehre als auch der gesellschaftlichen Symbolik her am fortgeschrittensten. Zudem bedienten sich auch die Handwerker in den Karosseriebetrieben alter Techniken des Bootsbaus, um gekrümmte Flächen abzubilden, dem sogenannten »Straken«.

Daimler-Benz Landaulet 1912 mit bereits geschlossener Karosserieform – der Beginn des Design (Daimler AG)

Design und Technik aus einer Hand

Um 1920 waren die bis dahin getrennten Bereiche Motorhaube, Spritzwand und Passagierkabine zu einem homogenen Gesamtkörper verwachsen, so dass das Designen einer Karosserieform im Zusammenspiel mit den jetzt volumigen Kotflügeln Sinn machte. Zeichnungen als Vorlage wurden von erfahrenen Holz- und Blechhandwerkern in Form gebracht, indem über einem Holzgerüst die Bleche gespannt und dann gezogen und geklopft wurden. Große Teile der Kabine waren, wie im Kutschbau üblich, ebenfalls als Holzgerüst angelegt, das mit Blechen oder Kunstleder bespannt war. Erst mit der Großserienfertigung Ende der 1920er Jahre kam die Stahlkarosserie auf. Ab da war der Entwurf, also das Design des Autos, untrennbar mit seiner technischen Seite, zumindest im Produktionsprozess, verbunden.

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